Sektion 20

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Das Zusammenspiel physischer Präsenz und digitaler Virtualität im Unterricht romanischer Sprachen

Haus 5, Seminarraum 26 | Building 5, Room 26

Sektionsleitung und Kontakt:
Svenja Haberland (Münster), E-Mail: svenja.haberland@uni-muenster.de
Corinna Koch (Münster), E-Mail: corinna.koch@uni-muenster.de

Liste der Vortragenden und Vortragstitel
Abstracts
Zeitplan

Institutioneller Fremdsprachenunterricht ist, seinem Kontext entsprechend, in gewisser Hinsicht immer konstruiert und damit künstlich, da explizites Fremdsprachenlernen im Gegensatz zu lebensweltlichem Spracherwerb stets auf Vorstellungskraft und ein ‚So-tun-als-ob‘ in einer gesteuerten Lernumgebung angewiesen ist (vgl. z.B. Guadatiello 2007). Dies hat den Vorteil, dass im Klassenzimmer ein geschütztes vorbereitendes ziel­sprach­liches Probehandeln erfolgen kann (vgl. z.B. Reinfried 2017). Gleichzeitig lässt jedoch das Ziel der Ausbildung einer interkulturellen Handlungsfähigkeit (vgl. z.B. Ministerium 2019, 8) nach einer möglichst frühen Verknüpfung mit authentischen Sprach­ver­wen­dungs­situ­a­tio­nen in Kontakt mit der außerschulischen Welt streben.

Um Lernenden auch im Klassenraum – einem wichtigen Teil ihrer Lebenswelt – Kommu­ni­ka­tionsanlässe anzubieten, die diese als „lebensecht“ (Bach/Timm 2009) akzeptieren und erleben können, stehen vielfältige Methoden zur Auswahl. Dazu zählt beispielsweise die simulation globale, bei der im Idealfall aus einer übernommenen Rolle heraus reali­tätsnahe, bedeutungsvolle Interaktion mit Mitlernenden und ggf. der Lehrkraft stattfindet (vgl. z.B. Maak 2011). Wenn die Gegebenheiten es zulassen, werden darüber hinaus – zu­mindest punktuell – Präsenzkontakte hergestellt, bei denen die unterrichtlich aufge­bau­ten und erprobten Kompetenzen Anwendung finden können, z.B. in Aus­tausch­pro­jekten (vgl. z.B. von Rosen 2019), Drittortbegegnungen (vgl. z.B. Bargy/Hofmann 2019) oder auch durch das Einladen externer Gäste in die Schule (vgl. z.B. Hueber 2020).

Zudem kann der Einsatz digitaler Medien ‚Begegnungen‘ ermöglichen. So eröffnen den Lernenden z.B. eTandemprojekte (vgl. z.B. Renner 2021) die Gelegenheit, in regelmäßigen Abständen sowie ortsunabhängig mit Lernenden aus anderen (zielsprachlichen) Ländern zu kommunizieren und zu kooperieren (z.B. über das von Erasmus+ kofinanzierte eTwinning,vgl.https://www.etwinning.net/). Im Kontext von interkulturellen Projekten können – ggf. einen in Präsenz erfolgten Kontakt ergänzend – überdies unter Anwendung von Blogs, Etherpads oder Austauschforen gemeinsame Lernprodukte (z.B. Schrifttexte, Videos, Sprache-Bild-Kombinationen oder Wikis, ggf. gesammelt in einem ePortfolio) er­ar­beitet und auf Wunsch veröffentlicht werden, was durch die gesteigerte Sichtbarkeit und Authentizität zu einer höheren Motivation, Sorgsamkeit und Verbindlichkeit beim Han­deln in der Zielsprache führen kann (vgl. Abendroth-Timmer/Gerlach 2021). Auch re­le­vante zielkulturelle Lernorte können durch den Einsatz von z.B. Escape Rooms oder Kartendiensten (z.B. Google Streetview; vgl. z.B. Husemann 2010) in den Klassenraum ge­bracht werden, sodass Sprache praxisnah angewendet und im virtuellen Raum erprobt werden kann.

In einem zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht braucht es sicherlich beides: physische Präsenz und digitale Virtualität – auch in Vorbereitung auf (spätere) gesellschaftliche In­ter­aktionen, die im 21. Jahrhundert sowohl in face-to-face– als auch in digitaler Kom­munikation bestehen. Das systematische Herausarbeiten der konkreten Besonderheiten, Po­tenziale und Grenzen von Szenarien in der einen oder anderen Form (oder auch Misch­formen) aus fremdsprachendidaktischer Hinsicht steht jedoch noch aus und soll in dieser Sektion adressiert werden. Es stellen sich u. a. folgende Fragen:

  • Wie viel Leiblichkeit (vgl. z.B. Schwertfeger 2001) braucht der Fremd­spra­chen­unter­richt zur Erreichung welcher Lernziele? Was kann besonders gut oder sogar ausschließlich in direkter Präsenz-Interaktion erfolgen, nicht beispielsweise in syn­chronen Videokonferenzen oder asynchronen digitalen Formaten wie Foren oder Etherpads? Wie müssen Szenarien in physischen Settings gestaltet sein, um mög­lichst authentisch und ganzheitlich wirksam zu sein? Mit wem sollte dabei warum interagiert werden? Welche Relevanz haben in diesem Kontext z.B. theater­­prak­tische Methoden (vgl. z.B. Hallet/Surkamp 2015) sowie Haptik und Kinäs­the­tik (vgl. z.B. Kröger 2010)?
  • Welche primären Lernorte (d. h. solche, die über ein explizites didaktisches Kon­zept verfügen, wie Museen oder Kulturinstitute) und welche sekundären Lern­orte (d. h. solche, für die erst ein didaktisches Konzept geschaffen werden muss, wie Innen­städte oder – als Hochform – Orte in Zielländern) können den Fremd­spra­chen­unterricht durch eine Öffnung nach außen und körperliches Vor-Ort-Sein und Erleben bei der Erreichung der angestrebten Lernziele bereichern (vgl. z.B. Legutke 2015)? Wie kann dabei eine Verbindung, z. B. durch Smart­phone-Rallyes, mit virtuellen Räumen geschaffen werden (vgl. z.B. Koch/Adammek 2018)?
  • Inwiefern können im Kontext des Fremdsprachenunterrichts virtuelle Kontakte (innerhalb der Klassengemeinschaft oder mit externen Personen) physische In­ter­aktion sinnvoll und zielgerichtet ergänzen? Wie sollten virtuelle Räume ge­stal­tet sein und wie unterscheidet sich das fremdsprachliche Lernen in ebendiesen vom Lernen vor Ort? In welcher Form und welchem Ausmaß sollte eine Kommu­ni­kation der Lernenden außerhalb eines didaktischen Settings (ange­lei­tete Kommunikation mit anderen Lernenden, wie es in unterrichts­ein­ge­bun­denen digitalen Aus­tausch­formaten der Fall ist) angestrebt werden, z. B. durch die Teil­nahme an authen­tischen Diskursen im Internet durch Kommentare unter Videos oder Posts (vgl. z.B. Caws et al. 2021)? Welche Rolle kann virtuelle Realität im Sin­ne von Gamification (vgl. z.B. Kapp 2012), z.B. Escape Rooms (vgl. z.B. Cruz 2019), spie­len, bei der nicht mit Menschen, sondern Programmen interagiert wird? Wie könnten die virtuellen Führungen durch Museen, z.B. Museo del Prado (https://www.museodelprado.es/visitas-virtuales) oder Musée du Louvre (https://www.louvre.fr/visites-en-ligne) zielführend in den Fremdspra­chen­unterricht eingebunden werden?

Bibliographie

Abendroth-Timmer, Dagmar/Gerlach, David (2021): Handlungsorientierung im Fremdsprachenunterricht. Eine Einführung. Berlin: Metzler.

Bach, Gerhard/Timm, Johannes-Peter (2009): „Handlungsorientierung als Ziel und Methode“, in: dies. (Hrsg.): Englischunterricht: Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Tübingen/Basel: A. Francke, S. 1-22.

Bargy, Elodie/Hofmann, Dirk (2019): „‚Au-delà des urnes, rien de nouveau‘? – Erkundung alternativer Formen politischer Partizipation als Projekt einer deutsch-französischen Drittortbegegnung“, in: französisch heute 50.3, S. 18-23.

Caws, Catherine/Hamel, Marie-Josée/Jeanneau, Catherine/Ollivier, Christian (2021): Formation en langues et littératie numérique en contextes ouverts – Une approche socio-interactionnelle. Editions des archives contemporaines. https://doi.org/10.17184/eac.9782813003911 (Zugriff: 28.04.2022).

Cruz, Mário (2019): „Escaping from the traditional classroom: the ‚Escape Room Methodology‘ in the foreign languages classroom“, in: Babylonia 3, S. 26-29.

Guadatiello, Angela (2007): „Erwerben oder erlernen Kinder nichtdeutscher Erstsprache das Deutsche? Der Versuch, eine Kontroverse zu überwinden“, in: Jampert, Karin/Best, Petra/Guadatiello, Angela/Holler, Doris/Zehnbauer, Anne (Hrsg.): Schlüsselkompetenz Sprache. Sprachliche Bildung und Förderung im Kindergarten; Konzepte, Projekte und Maßnahmen. Weimar: Netz, S. 38-40.

Hallet, Wolfgang/Surkamp, Carola (Hrsg.) (2015): Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Trier: WVT.

Hueber (2020): „Digitale Medien – authentisch kommunizieren“, in: Blog.Hueber DaF/DaZ unterrichten 23. April 2020. https://blog.hueber.de/digitale-medien-authentisch-kommunizieren/ (Zugriff: 28.04.2022).

Husemann, Veit R. J. (2010): „Mit Google Street View mitten in Frankreich – In einer virtuellen Stadtrallye Wegbeschreibungen üben“, in: Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 106, S. 12-17.

Koch, Corinna/Adammek, Christine (2020): „Wie französisch ist … meine Heimatstadt? – Eine Stadtrallye per Smartphone-App konzipieren und durchführen, in: Jungwirth, Martin/Harsch, Nina/Korflür, Yvonne/Stein, Martin (Hrsg.): Forschen.Lernen.Lehren an öffentlichen Orten – The Wider View. Eine Tagung des Zentrums für Lehrerbildung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 16. bis 19.09.2019. Münster: WTM, S. 173-178.

Kröger, Felicitas (2010): „Haptisch-kinästhetische Adressierung im Frühen Fremdsprachenunterricht“, in: Arnold, Karl-Heinz/Hauenschild, Katrin/Schmidt, Britta/Ziegenmeyer, Birgit (Hrsg.): Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 133-136.

Legutke, Michael K. (2015): „Vernetzte Lernorte“, in: Burwitz-Melzer, Eva/Königs, Frank G./Riemer, Claudia (Hrsg.): Lernen an allen Orten? Die Rolle der Lernorte beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen. Arbeitspapiere der 35. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, S. 127-135.

Maak, Diana (2011): „»Geschützt im Mantel eines Anderen« – Die »globale Simulation« als Methode im DaF-Unterricht“, in: Info DaF 5, S. 551-565.

Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2019): Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Gymnasium. Französisch. https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplan/ 202/g9_f_klp_%203410_2019_06_23.pdf (Zugriff: 28.04.2022).

Kapp, Karl (2012): The Gamification of Learning and Instruction: Game-Based Methods and Strategies for Training and Education. San Francisco: John Wiley & Son.

Reinfried, Marcus (2017):„Didaktisch-methodische Prinzipien heute“, in: Nieweler, Andreas (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch: Das Handbuch für Theorie und Praxis. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen, S. 74-84.

Renner, Julia (2021): „Das Potenzial von Online-Sprachentandems für das Fremdsprachenlernen bei AnfängerInnen einer Zielsprache“, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 26,1, S. 311-338.

Schwerdtfeger, Inge C. (2001): „Ganzheitliches Lernen und Leiblichkeit im Fremdsprachenunterricht – zwei Seiten einer Medaille?“, in: DaF 28,5, S. 431-442.

von Rosen, Julia (2019): „Wie Literatur lebendig werden kann. Ein deutsch-französisches Austauschprojekt“, in: französisch heute 50.3, S. 24-29.