Comics im Unterricht der romanischen Fremdsprachen: Konstanz und Wandel durch neue Technologien
39. Romanistiktag Universität Konstanz | 22.–25. September 2025
Sektionsleitung und Kontakt
Corinna Koch (Universität Münster)
Elissa Pustka (Universität Wien)
Die Arbeit mit Comics im Fremdsprachenunterricht bedarf heutzutage eigentlich keiner Legitimation mehr, denn vielfältige Publikationen (vgl. z. B. Pustka 2022 sowie diverse schulpraktische Themenhefte in Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch (22/1996, 74-75/2005, 97/2009, 131/2014, 151/2018) und Spanisch (54/2016), französisch heute (53,4/2022) und Hispanorama (152/2016); für einen Überblick über die Geschichte des Comics in Schule und Wissenschaft vgl. Tilley/Weiner 2016) attestieren ihnen umfassendes fremdsprachendidaktisches Potenzial. Dieses resultiert sowohl aus den gattungsspezifischen Merkmalen des Erzählens durch eine Folge gezeichneter Bilder, häufig ergänzt durch sprachlichen Text in Form inszenierter Mündlichkeit oder in Erzählkästen (vgl. Grünewald 2010, 20-21), als auch ihrem hohen kulturellen Stellenwert im franko-, hispano- und italophonen Raum, der zu einer beachtlichen Menge an Comics – inklusive Mangas und Graphic Novels – führt, die für unterrichtliche Zwecke genutzt werden können (vgl. z. B. Bermejo Muñoz/Vernal Schmidt 2016, 18-19). Obwohl Umfragen zufolge nur 50-60 % der deutschen Schüler*innen in ihrem Alltag gelegentlich Comics rezipieren, liegt ihre Motivation für eine unterrichtliche Beschäftigung mit dieser Textsorte bei etwa 80 % (vgl. z. B. Koch 2017, 59, 142; Morys 2018, 223).
Die neuen Technologien bieten für die konkrete Arbeit im Fremdsprachenunterricht mittlerweile zudem neuartige Möglichkeiten: Es können neben analogen Comics auch sogenannte ‚Webtoons‘ eingesetzt werden oder durch Rallyes mittels Google Street View, VR-Lernumgebungen und Escape Rooms die Arbeit mit gedruckten oder digitalen Texten immersiver gestaltet werden. Eigene Comics können Schüler*innen mit Graphikprogrammen am Tablet oder spezieller Software (z. B. http://writecomics.com, https://bdnf.bnf.fr) selbst erstellen und bei Wettbewerben, u. a. über soziale Medien, vorstellen. Zudem organisiert das Institut Français im Rahmen von Francomics Webinare zur Interaktion mit zielsprachlichen Comickünstler*innen (https://www.institutfrancais.de/de/deutschland/bildung/lehrprojekte/francomics#/) und bietet mit der Culturethèque (https://www.culturetheque.com/fr), ähnlich wie digitale Korpora (z. B. Ébullition der Universität Sherbrooke (https://fdlq.recherche.usherbrooke.ca/corpus/corpus-ebullition-francais-quebecois-dans-bulles.html), Zugriff auf eine Vielzahl von Comics. Neben diesen vom technischen ‚Wandel‘ ausgelösten Innovationen stellt sich jedoch auch die Frage nach der ‚Konstanz‘: Es gilt erstens abzuwägen, an welchen Stellen die analoge Arbeit mit Comics aus didaktischer Sicht besondere Potenziale birgt, auch um der starken Präsenz digitaler Medien im Alltag der Lernenden (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2023) ein Stück weit entgegenzuwirken und die Konzentration jenseits des Bildschirms zu fördern; zweitens stellt sich die Frage nach der Übertragung erprobter didaktischer Aufgabenformate im Zusammenhang mit Comics in die digital angereicherte Arbeit mit ebendiesen.
Gleichermaßen eröffnen neue technische Möglichkeiten der empirischen Erforschung von Comics im Kontext des fremdsprachlichen Lernens neben den bereits eingesetzten Methoden der Befragung von Schüler*innen, Lehrer*innen und Studierenden sowie Analysen von Schulbüchern und anderen didaktischen Materialien (vgl. Koch 2017; Taglieber 2017; Morys 2018; Pustka 2022) neuartige Optionen: Einerseits können Entwicklungen wie Online-Umfragetools bisher nicht erfasste Arten von Daten miterheben (z. B. Reaktionszeiten), anderseits bieten aus Videos gewonnene Laut-Denk-Protokolle sowie Eye tracking-Software Einblicke in das tatsächliche Rezeptionsverhalten von Fremdsprachenschüler*innen.
Diese Sektion möchte sich daher der Frage annehmen, welche Auswirkungen die Entwicklung neuer Technologien für die Arbeit mit Comics im Unterricht der romanischen Fremdsprachen und ihre didaktische Erforschung bereits hat oder noch haben könnte. Folgende Aspekte könnten Gegenstand von Sektionsbeiträgen sein:
Schulpraktischer Fokus
- Welche Rolle können digitale Comics als Ausgangstexte im Unterricht der romanischen Fremdsprachen spielen und welche Besonderheiten hinsichtlich ihrer Rezeptionsweise und ihres Potenzials der Kompetenzförderung bieten sie im Vergleich mit analogen Comics an?
- Wie kann unter Nutzung neuer Technologien wie VR-Lernumgebungen, Escape Rooms oder digitaler Rallyes die Arbeit an Comics im Unterricht der romanischen Fremdsprachen erweitert und intensiviert werden? An welchen Stellen bleibt dagegen die analoge Auseinandersetzung zielführender?
- Wie können neue Technologien wie Graphik- und spezielle Comicerstellungsprogramme für die fremdsprachendidaktisch-zielführende eigene Erstellung von Comics im Unterricht der romanischen Fremdsprachen eingesetzt werden?
- Wie können Wettbewerbe wie Francomics, bei denen Schüler*innen Ganzschriften lesen und ein Video zu ihrem Lieblingscomic erstellen, sinnvoll in den Unterricht eingebettet und begleitet werden?
- Wie lassen sich digitale Comic-Korpora im Fremdsprachenunterricht gewinnbringend einsetzen – insbesondere im Rahmen forschenden Projektlernens –, z. B. in Bezug auf die induktive Entdeckung von Merkmalen inszenierter Mündlichkeit?
Forschungsbezogener Fokus
- Wie lässt sich mit neuen Technologien (z. B. Eye tracking) die Rezeption und Produktion von Comics durch Fremdsprachenschüler*innen untersuchen und welche Konsequenzen lassen sich daraus für den Unterricht mit Comics ziehen?
- Welche Potenziale bieten Laut-Denk-Protokolle und Videoaufnahmen (z. B. des lernendenseitigen Zeigens auf Elemente des Comics, der Reihenfolge und Dauer der Aufgabenerledigung) bei der Diagnose, Beurteilung und Förderung von Seh-Lese-Kompetenz im Umgang mit Comics?
- Wie lässt sich empirisch messen, welchen Einfluss der Einsatz technischer Elemente (z. B. VR-Lernumgebungen, Escape Rooms oder digitale Rallyes) im Gegensatz zur analogen Arbeit mit Comics auf die Motivation der Schüler*innen und ihren Lernerfolg ausübt?
- Wie könnte ein Design-Based-Research-Projekt gestaltet werden, um im Rahmen einer zyklischen Erprobung eines Ausgangsdesigns in einem Realkontext ein empirisch erprobtes Referenzdesign zur zielführenden (digitalen oder analogen) Arbeit mit (digitalen oder analogen) Comics zu liefern?
Bitte reichen Sie Ihre Vortragsvorschläge im Umfang von max. maximal 4000 Zeichen, einschließlich Leerzeichen sowie bibliographischer und sonstiger Angaben, bis zum 31. Dezember 2024 per E-Mail ein: Corinna.Koch@uni-muenster.de und elissa.pustka@univie.ac.at.
Bibliographie
Bermejo Muñoz, Sandra/Vernal Schmidt, Janina (2016): „Graphic Novels im Spanischunterricht“, in: Hispanorama 152, 14-19.
Grünewald, Dietrich (2010): „Das Prinzip Bildgeschichte: Konstitutiva und Variablen einer Kunstform“, in: Grünewald, Dietrich (Hrsg.): Struktur und Geschichte der Comics: Beiträge zur Comicforschung. Bochum und Essen: Christian A. Bachmann, 11-31.
Koch, Corinna (2017): Texte und Medien in Fremdsprachenunterricht und Alltag: eine empirische Bestandsaufnahme per Fragebogen mit einem Schwerpunkt auf Comics. Stuttgart: ibidem.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023): JIM-Studie 2023: Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final_kor.pdf, 12.03.2024.
Morys, Nancy (2018): Bandes dessinées im Fremdsprachenunterricht Französisch. Berlin: Lang.
Pustka, Elissa (Hrsg.) (2022): La bande dessinée : perspectives linguistiques et didactiques. Tübingen: Narr.
Taglieber, Johanna (2017): „Astérix, Titeuf & Co – Die Rolle der bande dessinée in Französischlehrwerken in Österreich: eine quantitative Analyse“, in: Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 11/2, 85-105.
Tilley, Carol L./Weiner, Robert G. (2016): „Teaching and Learning with Comics“, in: Bramlett, Frank/Cook, Roy T./Meskin, Aaron (Hrsg.): Routledge Companion to Comics. New York: Routledge, 358-366.